Orientierung für die Zukunft

Zielsetzung von „Neue Ethik“

Klippe mit Blick zu einem blauen Sternenhimmel.

1. Was ist „Neue Ethik“?

Braucht eine neue Welt nicht auch eine neue Ethik? Um diese Frage zu beantworten, gilt es zunächst zu fragen, was die Neuheit dieser möglichen Ethik überhaupt besagen könnte? Jedenfalls geht es bei dieser keineswegs darum, etwa die Menschenrechte als einer alten, veralteten Ethik zugehörig, zu verabschieden, sondern vielmehr darum, dieselben unter neuen, veränderten und sie mithin bedrohenden Bedingungen zu erhalten.

2. Warum sollte sich der Mensch für Ethik interessieren?

Worin besteht die zentrale Frage aller Ethik, um die alle übrigen ethischen Fragen kreisen, wie die Planten unserer Galaxie um ihre Sonne, wenn nicht in der Frage danach, was der Mensch ist, was er sein kann und sein soll? Um diese Fragen stellen zu können, müssen wir schon das hergebrachte Diktum von der Inkommensurabilität von Sein und Sollen aufgeben.

Sein und Sollen müssen dementgegen in der notwendigen Bezogenheit und Vermittelbarkeit verhandelt werden, die es möglich macht, die Wirklichkeit nicht als eine indifferente Tatsache zu betrachten, Werte und moralische Idealitäten nicht als utopische Ausschweifungen von Menschen zu verwerfen, die ihren Kopf zwischen Wolken und Sternen betten.

Wenn hier also einmal mehr vorgeschlagen werden soll, den Menschen zum Ausgangspunkt einer neuen Ethik zu machen, bedeutet das mit anderen Worten, dass es sich bei dem Wort Mensch um einen normativen Begriff handelt, um den normativen Grundbegriff schlechthin, an dessen Grenzen die Grenzen der Unantastbarkeit und Unversehrbarkeit liegen.

Ein asiatisches Mädchen wird ein traditionelles rotes Kleid angezeogen von Händen aus dem Off. Das Mädchen schaut etwas traurig nach rechts weg.
Niemand sollte aufgrund seiner ethnischen Gruppe ausgeschlossen werden.

3. Die Entmenschlichung verschiedener ethnischer Gruppen

Besonders deutlich wird dieser Umstand, wenn in etwaigen zeitgenössischen Debatten Menschen eine grundlegende und auf die basalste Unversehrtheit gerichtete Solidarität entzogen wird, weil diese einer anderen ethnischen Gruppe zugehörig sind oder aufgrund von ihren religiösen Überzeugungen als potentielle Bedrohung gefürchtet werden sowie zu Gewalt und vermeintlichem „Widerstand“ gegen dieselben aufgerufen wird.

Das in diesen Kontexten gebrauchte metaphernreiche Vokabular gibt nicht zuletzt dann Zeugnis von dieser Tendenz zur Entmenschlichung zum Behufe Exkrimnation der Verletzung menschlichen Lebens, wenn schutzsuchende Menschen, mit Insektenschwärmen oder Flutwellen gleichgesetzt werden.

4. Was, wenn die Handlungen einer Person gegen die Grundlage dieser Ethik sind?

Andererseits scheint weder wünschenswert noch möglich sich von einem normativen Menschheitsbegriff zu verabschieden, ohne das Ethische im Ganzen preiszugeben. Dessen Formulierung muss es jedoch unmöglich machen, Menschen aufgrund ihrer politischen oder religiösen Bekenntnisse, ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts, sprich mit Bezug auf ihre jeweilige kontingente Disposition oder wegen ihrer Überzeugungen vom Menschsein auszuschließen; dies darf auch dann nicht geschehen, wenn sich die Auffassungen und Handlungen einer infragestehenden Person gegen diese Grundlage aller Ethik richten.

5. Was oder wer ist ein Mensch?

Der Begriff des Menschen muss daher in anderer Weise gefüllt werden, nämlich im Hinblick auf die ihn auf auszeichnende Weise bestimmenden Fähigkeiten und Vermögen. Sie liegen in seiner Befähigung zu denken, zu urteilen und sich in andere Lebewesen fühlend hineinzuversetzen, in seiner Begabung zur ethischen Umkehr, die im Boden seiner Freiheit wurzelt, deren Blüte in nichts anderem besteht, als in seiner Möglichkeit vielfältige Perspektivwechsel zu vollziehen; in seiner Fähigkeit zur Einsicht in die Position, die er in der Welt innehat und das mit dieser verbundene Vermögen Verantwortung für seine Existenzweise zu übernehmen, die Welt und sich selbst zu verändern und umzugestalten.

Was der Mensch ist und was er sein soll, kann dennoch nie in der Weise diskreter Attribute gewusst werden, kann niemals in der Weise gewusst werden, wie man weiß, dass die Summe der Kathetenquadrate in einem rechtwinkligen Dreieck dem Hypotenusenquadrat entspricht.

Diese Offenheit oder Unbestimmbarkeit gehört gerade zur Spezifität menschlicher Existenz. Sie bedingt aber auch die Unabschließbarkeit jedes ethischen Diskurses, sofern sich dieser auch am Menschen orientieren muss und das heißt letztlich daran, welche Gestalt des Menschen er für wünschbar und erstrebenswert hält.

Ein Laptop in einem komplett schwarzen Raum. Über den Bildschirm laufen grün, gelbe Zeichenreihen von oben nach unten.
Alles wird von Technik bestimmt.

6. Unser Leben wird von Algorithmen kontrolliert

Genau in diesem Sinne ist die Menschlichkeit gegenwärtig in besonderem Maße bedroht und es kann kaum in Abrede gestellt werden, dass auch die problematischen in (3) angesprochenen Entwicklungen mit dieser Gefährdung in unauflöslichem Zusammenhang stehen. Wenn algorhithmen-gesteuerte Aggregate unseren Alltag von der Partnerwahl bis hin zur Taktung unserer Transportvorgänge determinieren und unsere Kommunikation sowie einen großen Teil unserer Aktivitäten aufzeichnen und vermitteln, bedeutet das, wenigstens tendenziell, eine sensible Erschütterung unserer Art zu Leben, unser Art Menschen zu sein, sprich unseres Vermögens denkend-verantwortlich, frei und empathisch zu handeln.

Es gilt, die Bedingungen dieser Erschütterung reflexiv einzuholen und sich ihr gleichzeitig so zu entziehen, das nicht verloren geht, was für das Menschsein unabdingbar sein muss. Warum die Technisierung eine Bedrohung ebendieser Menschlichkeit darstellen sollte und in den Blick zu bekommen, was diese ihrem Wesen nach eigentlich ist, ist eine der wesentlichen Aufgaben, denen sich die Neue Ethik zu stellen hat.

7. Von der industriellen Revolution zur Digitalisierung

Die sogenannte Digitalisierung — von der es ebenfalls zu fragen gölte, was es mit ihr überhaupt auf sich hat, sofern man nicht voraussetzen kann, dass man dies schon weiß — verändert, nun konkreter gesprochen, auch unsere Arbeitswelt in massiver Weise, womöglich in noch größerem Ausmaß als dies vor etwa zweihundert Jahren an der Schwelle zum 19.Jahrhunderts und im Zuge der ersten industriellen Revolution geschah.

Diese sich im Kommen befindende und zum Teil schon vollzogene Umstrukturierung darf nicht sich selbst überlassen werden und muss mit einem gewissen Weitblick und Einsicht ins Wesentliche gestaltet werden; nicht zuletzt auch hinsichtlich eines Umbruchs der technischen Determination menschlicher Tätigkeit und insofern diese sich nicht in Arbeit allein gründen und erschöpfen soll. Auch hier wird es von höchster ethischer Bedeutung sein, zu fragen, welcher Sinn der arbeitenden Tätigkeit für den Menschen zukommt.

8. Der Mensch zerstört sich selbst

Ferner, scheint der Mensch, zusätzlich zu all der beobachtbaren Transformation seiner Lebensweise. auch noch einer menschheitsgeschichtlich in Ausmaß und Art vollkommen unvergleichlichen Krise ausgesetzt zu sein, die als Zerstörung seines eigenen Lebensraums, aber auch als Vernichtung zahlreicher Lebensformen auf dunkle Weise zu ihrer Bezifferung kommen kann.

Diese Krise ist als ökologische Krise zu bezeichnen. Warum dem so ist, auch dies scheint, im besten Wortsinn, mehr als fragwürdig. Jenseits eskapistischer Halluzinationen von und für megareiche ewig-morgige Marsbewohner á la Elon Musk, können nur auf Erdverbundenheit und Schonung bauende Überlegungen und Praktiken, die immer auch ethischer Natur sein müssen, in angemessener Weise auf die Realität und Imminenz dieser ökologischen Katastrophe antworten.

Zwei Menschen formen ein Herz mit ihren Händen. Der Hintergrund ist verschwommen und man erkennt einen Regenbogen sowie Glasscheiben mit Regentropfen.
Ethik & Mensch

9. Das ist „Neue Ethik“

Die Neue Ethik verschreibt sich vor dem Hintergrund und auf dem Boden der hier nur skizzierten Befunde der Ermöglichung, Anregung, Untersuchung und Vermittlung eines ethischen Diskurses, der sich aufgibt, den Herausforderungen in solcher Weise zu begegnen, das ein Hoffen, auf die Verwahrung des Unantastbaren auch weiterhin dem Sinn für das Mögliche korrespondieren darf.

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