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John Schellnhuber and the second ‚Copernican‘ Revolution

Statue von Kopernikus

Die sogenannte kopernikanische Revolution — die tatsächlich erst lange nach den Veröffentlichungen des polnischen Astronomen das Bewusstsein der Wissenschaften zu beherrschen beginnt — rückte die Erde in ihren korrekten interplanetaren und interstellaren Kontext ein. Dennoch wurde sie vor allem als Kränkung rezipiert, die der Erde, und damit auch den Menschen, ihrer Zentralstellung beraubte.

Sie wurde zum paradigmatischen Fall aller topologischen Großerschütterungen stilisiert. So sprach nicht zuletzt Kant von einer kopernikanischen Revolution in der Erkenntnistheorie ausgelöst durch seine kritische Untersuchung der Frage, welche Fragen, die menschliche Vernunft nicht bloß zu stellen, sondern auch zu beantworten erlaubt.

Silouette eines Menschen vor einem bunten Sternenhimmel.
Erkenntniss
Quelle: unsplash.com

Kopernikanische Revolution, Freud und Darwin

Und auch Sigmund Freud dekretiert in seiner 1917 publizierten Schrift „Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse“, dass seine Entdeckung des Unbewussten als eigentliches Entscheidungszentrum menschlicher Handlungen in einer genealogischen Beziehungen zur kosmologischen (Kopernikus) und biologischen Kränkung (Darwin) stehe.

Wer folglich von einer kopernikanischen Revolution spricht, geriert sich in der Regel auch als eigenhändiger Revolutionär, der, indem er den Dingen ihren rechtmäßigen Platz in der Ordnung des Universums zuweist, einen naiven Narzissmus zu verletzen gezwungen ist. Ganz gleich, wie viele kopernikanische Revolutionen man also zu zählen sich anschickt: ohne Koinzidenz von fundamentaler Rekonfiguration und Narzissmus-Kränkung, kann von einer solchen nicht die Rede sein.

Schellnhubers‘ Artikel

Der Potsdamer Klimaforscher Hans Joachim, genannt ‚John‘ Schellnhuber hat genau in diesem Sinne schon kurz vor der Jahrtausendwende (1999) einen Artikel veröffentlicht, in dem auch er eine neuerliche kopernikanische Revolution behauptet, diesmal hervorgebracht durch die sogenannten ‚Earth-system’-analysis. Neu ist an derselben, dass sie zunächst keine Fundamentalkränkung impliziert. Im Gegenteil soll die Erdsystemanalyse, unter anderem mittels computertechnischer Simulation und Informationsverarbeitung, einen Standpunkt entwickeln, der es dem Menschen erlaubt, zu dem überzugehen, was Schellnhuber als „global environmental management“ bezeichnet hat.

Die Erde bei Nacht aus dem All. Man sieht die vernetzung von Lichtern.
Erdsysteme
Quelle: unsplash.com

Gemeint ist dabei ein global agierendes Kollektivsubjekt, das verstärkt und ausgerüstet durch und mit mächtigen Überwachungsaggregaten, in die Lage versetzt werden soll, sämtliche Prozesse in Atmosphäre, Biosphäre und Kriosphäre zu registrieren und zu steuern. Diese Form der Geo-Kybernetik soll dem neugeborenen Leviathan ermöglichen, der Bedrohung seiner Erdexistenz durch spontane Interventionen in besagte Prozesse zu entgehen.

Der Mensch als Gott

Damit würde der technische erweiterte Mensch zum buchstäblichen Prothesen-Gott, der die Erde entsprechend seiner Bedürfnisse, Interessen und Zwecke umzuschaffen im Stande wäre. Die Kränkung bliebe also aus, ersetzt durch Apotheose. Das Problem dieser „Lösung aller Lösungen“ liegt womöglich gerade darin, dass sie nicht kränkt und damit die narzisstische Naivität unangetastet lässt, nein sogar befördert. Ihre Rekonfiguration ist keine faktische, sondern eine idealische und in ihrer Idealität dem Menschen zugedachte.

Menschliche Hand die ein Glas hochhält. Im Glas scheint eine Galaxie gefangen zu sein.
Narzisstische Naivität des Menschen
Quelle: pexels.com

Genau darin könnte man ihre weltfremde Modernität identifizieren. Sie ist im eigentlichen Sinne, sollte sie auch Revolution sein, antikopernikanisch. Sie will zwar Rekonfiguration, aber nicht entsprechend einer faktischen Entdeckung, sondern mit den Mitteln eines totalen Steuerungsregimes, sie will zwar Kopernikus nacheifern, aber ohne die Bitterkeit einer notwendigen Kränkung zu gewärtigen. Was von ihr übrig bleibt ist ein Begehren nach Rettung derer, die, weil sie gefährdet sind, Rettung in irgendeiner Form nötig haben werden.

https://www.pik-potsdam.de/members/john/public/nature_supp_esa.pdf

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