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Deepfake oder „Willkommen in der Wüste des postfaktischen Zeitalters“

Auge mit Googlelogo in der Iris.

Im sogenannten postfaktischen Zeitalter wird es zunehmend unmöglich das Wahre vom Falschen zu unterscheiden. Damit wird nicht nur erneut fraglich, was überhaupt als sicheres Kriterium dieser altehrwürdigen Unterscheidung gelten kann.

Der Sieg des Fideismus

Banaler, pragmatischer und vielleicht sogar genauer genommen, rücken die Techniken der Repräsentation in den Mittelpunkt des an Faktizitätsbewahrung orientierten Interesses. Besonders die repräsentations-technische Fähigkeit das Dargestellte zu manipulieren, es zu entstellen und zu verzerren erhalten im Zusammenhang digitaler Repräsentationsmedien eine neuartige Bedeutung. Nennen wir das Kind beim Namen: wenn es keine Möglichkeit mehr gibt eine vorgenommene Deformation von Inhalten, die als faktische dargeboten werden zu überprüfen, dann glaubt jeder letztlich nurmehr, was er will, dann gilt es einen informatorischen Sieg des Fideismus zu verzeichnen, dann befinden wir uns in einer genuinen Krise der Wahrheit.

Die mediale Großtransformation

Obwohl die Geschichte der Wahrheitsordnungen, wie sie beispielsweise Michel Foucault zu schreiben versucht hat, zeigt, dass es historisch immer wieder zu ähnlichen Krisen gekommen ist, handelt es sich doch um eine ganz neue Dimension der Wahrheitserschütterung.

Warum? Wenn bisher was als wahr gelten durfte, seine Geltungsgarantie eingebüßt hat, so lag das nicht selten auch an einer medialen Großtransformation, wie zum Beispiel der Erfindung und Durchsetzung des Buchdrucks. Die Änderungen aber, die mit diesem einhergingen wurden gemeinhin — und das nicht zu unrecht — als Befähigungen zur kritischen Auseinandersetzungen interpretiert.

Alter Fehrnseher und Videokasetten in einem Regal, umgeben von alten Lautsprechern.
Mediale Großtransformation

Vom Buchdruck zur Manipulation

Auf dem Fuße des Buchdruck folgt die Massenalphabetisierung. Der mediale Wandel hatte somit Anteil an der Aufklärung der Massen, die nicht nur in Stand gesetzt wurden, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen, sondern eben auch des ihnen zuvor entzogenen Schrifttums. Das ist der Ort, an dem jede Analogisierungsmöglichkeit in Bezug auf den digitalen Medienwandel endet. Nicht nur, dass Benutzer von Computern weder Lesen noch Schreiben können, was als Code ihre glatten Benutzeroberflächen erst möglich macht: das Digitale steigert auch die Möglichkeit der Manipulation ganz gleich welcher Datensätze ins Unermessliche.

Deepfake – Was ist das?

Ein gutes Beispiel bietet in diesem Zusammenhang das sogenannte Deepfake. Durch den jüngsten Fortschritt „neuronaler Netzwerke“ wird es möglich, täuschend echt wirkende Bilder automatisiert auf beliebige Videoaufnahmen zu montieren. Keine Bildung, keine Alphabetisierung in Sicht, die uns erkennen machen würde, was nun verborgen werden kann, und was kein geheimer Sinn ist, sondern die künstlich erzeugte, simulative Realität des Irrealen.

Das Gesicht, seit Menschengedenken dasjenige identifikatorische Kernelement des Individuums, wird durch DeepFake übertragbar, kann jedem beliebigen Körper aufgesetzt werden, in jeder denkbaren Situation.

Aus Evidenzen werden Phantasmen

Im 20. Jahrhundert schon war fraglich, was Jean-Luc Godard proklamieren wollte und, ob nicht die Ironie mit von Partie war, als er sagte, die Photographie sei die Wahrheit und der Film, die Wahrheit 24 mal pro Sekunde. Wenn jedoch Gesichter mobil werden, werden aus Evidenzen gespenstische Phantasmen, für die es keine Möglichkeit der Prüfung mehr geben kann. Keine? Wirklich keine?

Mit dieser Frage konfrontiert, wirft sich der AI-Pioneer in die Brust und spricht im Ton der Verantwortlichkeit aus, was nicht nur wenig überzeugend, sondern vielmehr beängstigend klingen muss: „Es gibt da eine Methode“, heißt es dann, „aber diese“, verrät man uns, „involviere keinerlei menschliche Bildungsleistung; naja, jedenfalls nicht unmittelbar, sofern nicht das Schreiben von Programmen, die den Unterschied zwischen Fake und Fakt ausmachen, als eine derartige Leistung zu akzeptieren gewillt sein wird“.

Mannequins in einem Raum ohne Gesicht. Graustufenbild.
Gesichter werden mobil.

Man versichert uns ferner: ja, es handle sich um ein „Katz und Maus-Spiel“, zwischen Manipulationsprogrammen und Prüfungsaggregaten, wenn eines der letzteren funktioniere, dann aber mit neunundneunzigprozentiger Gewissheit.

Zur Schöpfung gehört das Entraten der Geschöpfe

Dass unsere Abhängigkeit von faktisch unnachvollziehbaren Prüfungsaggregaten den Begriff der Gewissheit ad absurdum führt, scheint diesen buchstäblichen Herren der Schöpfung wohl geflissentlich zu entgehen. Zur Schöpfung gehört wohl das Entraten der Geschöpfe. Noch macht all dies die Anmutung von schauerhafter Zukunftsmusik und sicher, die flächendeckende Durchsetzung dieser Techniken und ihre Perfektionierung werden noch ein wenig auf sich warten lassen und erst dann wird man wirklich sagen dürfen: Willkommen in der Wüste des postfaktischen Zeitalters!

Ein Link zu einem Video des internationalen Nachrichtenmagazins Vice, das die letzten Entwicklung im Bereich des Deepfakes veranschaulicht:

https://video.vice.com/en_us/video/deep-fakes-are-becoming-a-real-thing-and-it-could-get-dangerous/5b7b06a2be407719635331c1

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